Eine Replik auf weitere Einwände gegen die Lehre der Erbsünde


Ich bin noch nie einem perfekten Menschen begegnet. Auch außergewöhnliche Christen, die ich gekannt habe, die außerordentlich demütig, gnädig, und liebevoll sind, gestehen, dass sie an Moralfehler und geistliche Schwachstellen wie Neid, Eigennutz, und Stolz leiden.

Es scheint, dass alle Menschen eine angeborene Moralschwäche haben, die in diesem Leben nicht abgeholfen werden kann. Ich will persönlich die zwei Gebote erfüllen, die Jesus die größten nannte: Gott mit meinem ganzen Herzen, Geist, ganzer Seele und ganzer Stärke zu lieben, und meinen Nächsten zu lieben, wie ich mich selbst liebe (Markus 12,29–31). Obwohl ich meine, echtes geistliches Wachstum in meinem Leben gesehen zu haben, besonders hinsichtlich der Liebe und Hingabe an Gott und meines Strebens, anderen altruistisch gesinnt zu sein.Wenn ich aber das Gesamtbild meines Lebens als Christ betrachte, muss ich zugeben, dass meine Erfolge begrenzt und schmerzhaft inkonsistent gewesen sind. Die Wahrheit ist, dass ich Gottes Gebote nicht erfüllt habe. Daher brauche ich einen Retter, der mich aus meiner Sünde herausrettet.

Was erklärt dieses universelle Manko in Menschen?

Die Bibel stellt die defizitäre Moralbeschaffenheit der Menschen so dar: alle Menschen sind der lähmenden Macht der Erbsünde zum Opfer gefallen. In seinem Handbook of Basic Bible Texts definiert der Theologe John Jefferson Davis die “Erbsünde” als “die Sündhaftigkeit, Schuld, und Todesanfälligkeit, die alle Menschen [außer Christus] [Christ excepted]von Adam geerbt haben.”1

Diese Doktrin habe ich hier erklärt: Does Original Sin Explain the Human Condition? Und hier verteidigt: Responding to Objections to Original Sin. Aber manche stellen sie immer noch in Frage aus unterschiedlichen Gründen. Setzen wir uns auseinander mit gut durchgedachten Einwänden, die ich neulich durch Sozialmedien empfangen habe (leicht umschrieben) und meine Replik drauf.

Einwand von einem Evangelikalen
Gestatten Sie es mir, advocatus diaboli hier indem ich sage, hinsichtlich der Doktrin der Erbsünde, dass sie, im Endeffekt, eine rein-akademische Frage ist:

Betrachten Sie zwei Herausforderungen:

Erstens: Kinder werden schuldhaft in dem sie ihre eigenen Sünden begehen, sobald sie können! Obwohl diese Tatsache oft als Argument für die logische Plausibilität der Erbsünde aufgeführt wird, scheint diese Tatsache auch ein Argument gegen den praktischen Wert einer solchen Doktrin zu sein. Warum? Weil, im Moment ihrer ersten “atomischen” Sünde, Kinder durch ihren Willen Sünder werden, egal ob sie per natura schon vor diesem Moment Sünder waren. Sündigen Kleinkinder weil sie schon Sünder sind, oder werden sie Sünder, in dem sie sündigen? Wenn die Existenz von Adam überhaupt etwas beweist, ist es, dass man nicht per natura Sünder sein muss, um sündigen zu können in der ersten, wahren Prüfung.

Zweitens: auch die (westlichen) christlichen Lehrern, die behaupten, an die Erbsünde zu glauben, setzen voraus, dass es ein Rechenschaftsalter gibt. Es ist ihnen klar, dass vernünftige Personen den Gedanken, dass Kleine Babys in die Hölle kommen, abartig finden. Sie sprechen die Doktrin der Erbsünde de facto ungültig, in dem sie vorschlagen, dass der normale Mechanismus des Seelenheils (direkter Glaube an Jesus, der bewusst ausgeübt wird) mindestens eine Ausnahme für die gestorbenen Babys oder Kleinkinder zulässt. Ich weiß nicht, aber soll nicht der Richter der ganzen Erde richtig handeln?

Meine Replik
Ich grüße Sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Danke für Ihre respektvolle und gut durchgedachte Kommentare. Gestatten Sie es mir, einige Punkte als Replik aufzuführen:

Erstens: Der Teufel braucht keinen Anwalt. Er ist einer.. 

Zweitens: In meinem Artikel Responding to Objections to Original Sin habe ich darauf hingewiesen, dass nicht alle theologisch-konservativen Christen die Doktrin der Erbsünde bejahen. Ost-orthodoxe Christen bejahen die Lehre, dass wir alle eine universelle Neigung zur Sünde haben, aber lehnen eine universelle Schuld in oder durch Adam ab.2 Einige moderne Vertreter der radikalen Reformation (Wiedertäufer) lehnen die Lehre ab, dass alle in Adam schuldig sind.

Drittens: Die wichtigste Frage für Evangelikale ist, lehrt die Bibel die Erbsünde? Zu diesem Punkt lesen Sie meinen Artikel, wo ich auf die Bibelstellen hinweise, dass Kinder in Sünde gezeugt werden und von der Natur aus Sünder sind, und das nicht nur aus freiem Willen werden (Psalm 51,5; 58,3; Sprüche 20,9; Römer 5,10–12).

Viertens: Selbst die gute Nachricht scheint, auf die Idee der Erbsünde gegründet zu sein. Das heißt, der Apostel Paulus scheint zu sagen, dass Menschen die Sünde Adams erben, parallel zu wie Gläubige die Gerechtigkeit Christi erben (Römer 5). Menschen können auf fairer Weise für die Sünde Adams so wie Christus für die kollektive Sünde der Menschheit gerichtet wurde.

Fünftens: Ihre Beschreibung der Sünde scheint, wenn sie mit den Schriften verglichen wird, viel zu gezügelt (Anhänger des Augustinus würde sie sogar Pelagianisch nennen). Eine nur willensmäßige Entscheidung oder Neigung zur Sünde scheint mit der Sicht der Schrift zu übereinstimmen. Die Schrift definiert Sünde als “Ungehorsam,” “Böse,” “Unbilligkeit,” “Gesetzlosigkeit,” “Übertretung,” “Vergehen,” “Gottlosigkeit,” “Unheiligkeit,” “Ungerechtigkeit,” und “Schlechtigkeit.”3

Sechstens: Adam hat gesündigt, ohne eine mit Sünde behaftet Natur zu haben. Aber, wenn alle Kinder eine freie Wahl haben, warum ist Sünde universell unter Menschen? Warum haben keine frei gewählt, nie zu sündigen? Es scheint, dass die Mehrheit des westlichen Christentums denkt, dass die Erbsünde das Wesen des Menschen (dass Sünde unter uns universell ist) besser erklärt.

Siebtens: Dass man ein Rechenschaftsalter bejaht, macht die Idee der Erbsünde nicht biblisch ungültig. Das man etwas zu einer “rein-akademischen” Frage erklärt, erklärt die klare Lehre der Schrift nicht weg. Ein Rechenschaftsalter kann nur bedeuten, dass eine Person ein Alter erreicht hat, wo sie ihre Sünde bewusster wahrnehmen. Das aber nimmt eine mögliche angeborene Sünde des Einzelnen als Mensch nicht hinweg.

Achtens: Christentum im Westen (katholisch und evangelisch in gleicher Maße) bejaht Erbsünde weitgehend, besonders die Landeskirchen hierzulande. Kindertaufe verbindet man mit der Annahme, dass das Kind schon mit Sünde belastet auf die Welt kommt.

Wie ich in Responding to Objections to Original Sin geschrieben habe: “Ich halte die Erbsünde für eine klare Lehre der Bibel und eine kohärente Idee, die große Erklärungskraft und Reichweite mit sich bringt, wenn man das Wesen des Menschen erklären möchte.“

Friede mit Ihnen, Bruder.

Takeaway
Die Doktrin der Erbsünde kann in manchen Hinsichten eine verwirrende Lehre sein. Aber die biblische Grundlage dafür ist fest und sie wird universell unter Menschen bestätigt.

Reflections: Sie sind dran
Sehen Sie wie sich die Erbsünde in Ihrem Leben manifestiert? Kommentare können sie unter Reflections lassen.

Weiterführende Lektüre

Endnoten

  1. John Jefferson Davis, Handbook of Basic Bible Text: Every Key Passage for the Study of Doctrine and Theology (Grand Rapids: Zondervan, 1984), 56.
  2. Fr. John S. Romanides, “Original Sin According to St. Paul,” Orthodox Christian Information Center, nachgeschlagen am 9.September.2022, http://orthodoxinfo.com/inquirers/frjr_sin.aspx.
  3. Kenneth Richard Samples, 7 Truths That Changed the World: Discovering Christianity’s Most Dangerous Ideas(Grand Rapids, MI: Baker, 2012), chapters 9 and 10.