Ist das Universum geschlossen?
Kann unser Universum aus dem Nichts entstehen? Mindestens ein prominenter Physiker, Lawrence Krauss, hat diese Frage mit einem erschallenden „ja“ beantwortet. Er hat sogar ein Buch namens A Universe from Nothing geschrieben, um diese Ansicht zu artikulieren.Diese entspringt seiner Weltanschauung, dass kein Schöpfer dran beteiligt wurde. Krauss will, dass Naturwissenschaft (und nicht Philosophie oder Theologie) “nichts” definiere. Eine Schlüsselkomponente vom “nichts” wie Krauss es verstehen, hängt davon ab, dass das Energiebudget des Universums null sei. Das wiederum verlangt, dass die Geometrie des Universums flach sei. Es ist schwer, sich diese Geometrie vorzustellen, denn wir können sie in der Gestalt des Universums nicht sehen. Aber neue Beweisindizien können vielleicht diese Schlüsseleigenschaft und Weltanschauung untergraben.
Ein weinig Hintergrund
Für die letzten zwei Jahrzehnten hat sich das herrschende kosmologische Modell für den Ursprung des Universums sich auf einen inflationären Urknall aufgebaut. Nach einer unglaublich kurzen Epoche der hyperschnellen Ausdehnung, die wir Inflation nennen, dehnt sich das Universum kontinuierlich von einem heißen, dichten Ausgangspunkt aus. Mit dieser Ausdehnung wird das Universum kühler und bildet alle Strukturen, die wir sehen —Sterne, Planeten, Galaxien, und Galaxienhaufen, usw. Messungen zeigen, dass die Energie des Universums so verteilt ist, dass normale Materie (Elektronen, Protonen, Neutronen und ähnliches) um die 5% davon aus, dunkle Materie eine weitere 25%, und dunkle Energie den ganzen Rest. Als sie zuerst vorgeschlagen wurde, lieferte Inflation eine solide Antwort auf eine quälende Frage: Warum hat unser Universum eine Geometrie, die beinah flach ist?
Der Prozess der Inflation selbst enthält die Antwort in sich. Das exponentielle Wachstum hat die Größe des Universums mindestens um einen Faktor von 1026 erhöht! Diese unglaubliche Ausdehnung hätte dann die Ausgangsgeometrie des Universums (ob geschlossen, flach oder offen) näher und näher an eine flache Geometrie getrieben. Das war eine Kernvorhersage der Inflationstheorie. Egal welche Ausgangsgeometrie das Universum hatte, würde die unglaubliche Ausdehnung der Inflation eine messbare, flache Geometrie hervorgebracht (mindestens so empfindlich wie wir sie jetzt messen können).
Warum ist eine flache Geometrie bedeutend?
Auf einer fundamentalen Ebene hätte das Universum drei Geometrien annehmen können: geschlossen, flach, oder offen—und das hat nichts mit der Zahl der Dimensionen zu tun. Diese drei Diagramme unten zeigen, wie Parallellinien sich in den unterschiedlichen Geometrien benehmen.
In einer geschlossenen Geometrie (oben) laufen die Parallellinien zusammen und kreuzen sich irgendwann. In einer offenen Geometrie (unten) laufen die Linien weiter und weiter auseinander. In einer flachen Geometrie (Mitte) bleiben die Linien immer mit der gleichen Distanz von einander getrennt. Obwohl Wissenschaftler sich nicht außerhalb des Universums begeben können, so dass sie die Geometrie sehen könnten, können sie unterschiedliche Quantitäten wie die “Klumpigkeit” der kosmischen Hintergrundsstrahlung (CMB) messen. Diese ist die remanente Strahlung aus einer frühen Phase des Universums. Dieses Verteilungsmuster kann die Geometrie bloßlegen.
Angesichts der Natur unseres Universums (wie oben beschrieben) haben Wissenschaftler eine faszinierende Eigenschaft erkannt. Wenn das Universum flach ist, zeigen die Rechnungen, dass die Gesamtsumme der Energie des Universums null ist!1
Krauss verlässt sich auf diese Eigenschaft des Universums, weil er das Argument macht, dass das Universum aus einer Quantenfluktuation entsteht. Diese Quantenfluktuation kann nur existieren, auch für die kleinste Zeitspanne, wenn das Universum null Energie hat. Daraus folgt, dass ein Universum mit offener oder geschlossener Geometrie das ganze Argument von Krauss untergraben würde.
Ist das Universum wirklich geschlossen?
Neulich hat ein Artikel in Nature Astronomy Beweisindizien diskutiert, dass die Geometrie des Universums wirklich geschlossen sein könnte.2 Eine Analyse der archivierten Daten der Planck Weltraumission weist darauf hin, dass das Universum einen viel stärkeren Gravitationslinseneffekt aufweist, als Wissenschaftler erwartet haben. Im Gravitationslinseneffekt biegt die Gravitation die Bahn des Lichtes, das durchs Universum strahlt. Daher ist eine geschlossene Geometrie des Universums die einfachste Erklärung für diese Variation. Darüber hinaus scheinen die Satellitendaten vom Planck Missionsarchiv eine geschlossene Geometrie zu bestätigen. Damit ist der Fall aber noch nicht erledigt. Wenn aber man die Analyse der Planck Daten mit den Studien der Baryonischen akustischen Oszillationen der dunklen Materie und Gravitationsscherung betrachtet, bleibt die eine flache Geometrie die passendste Lösung. (Interessant ist auch, dass es andere Diskrepanzen dieser Art gibt, z.B., die unterschiedlichen Messungen der Hubble Konstante mittels der CMB und Type Ia Supernovae.) Leider können unsere heutige Technologie und Messungstechnike die Frage, ob das Universum tatsächlich geschlossen ist, nicht beantworten. Kann sein, dass Wissenschaftlermehr Analyse brauchen
Wir müssen auf künftige Raumfahrtsmissionen warten, die uns definitive Daten bringen können. Wir können aber über mögliche Implikationen nachsinnen. Die Entdeckung, dass das Universum geschlossen wäre, würde die Möglichkeit eines Null-Energie-Universums ausschließen. Die noch gebliebenen Möglichkeiten passen viel angenehmer in einen theistischen Rahmen ein, wo das Universum einen Anfang hat. Diese Ergebnisse zeigen, dass wissenschaftlicher Fortschritte uns Beweis liefern können, die Modelle der Ursprünge des Universums und die dahinterstehenden Weltanschauungen zu beurteilen.
Endnoten
- Marcelo Samula Berman, “On the Zero-Energy Universe,” International Journal of Theoretical Physics 48 (25.August.2009): 3278–86, doi:10.1007/s10773-009-0125-8.
- Eleonora Di Valentino, Alessandro Melchiorri, and Joseph Silk, “Planck Evidence for a Closed Universe and a Possible Crisis in Cosmology,” Nature Astronomy 4 (4.November.2019): 196–203, doi:10.1038/s41550-019-0906-9.