Haben Astronomen die Bausteine des Lebens gefunden?

Für mindestens fünf Jahrzehnten haben Verfechter der naturalistischen Entstehung des Lebens Beweis der RNS-Welt-Hypothese gesucht. Die RNS-Welt ist ein vorgeschlagener Schritt in der Evolution des Lebens auf der Erde, in dem selbst-replizierende RNS-Moleküle die Vorläufer von genetischer Materie und Proteine wurden. Leben auf der Erde erschien plötzlich vor etwa 3,8 Milliarden Jahren. Es fehlt aber jeden Beweis für die Existenz von organischen Molekülen auf der Erde, die möglicherweise RNA entstehen lassen konnten. Deswegen denken Astrobiologen, dass die Bausteine des Lebens sich im interstellaren Raum befinden müssen.

Vorläufermoleküle
In 1969 entdeckte ein von Lewis Snyder geleitetes Team aus vier Astronomen Formaldehyd (H2CO) in einer interstellaren Molekülarwolke.11 In ihrer Arbeit zur Entdeckung schrieben die vier Astronomen, “H22CO ist das erste polyatomische, organische Molekül, das im interstellaren Medium entdeckt wurde und seine große Verbreitung deutet darauf hin, dass der Prozess der interstellaren chemischen Evolution viel komplexer sein könnte, als früher angenommen wurde.”22 Vor zwei Monaten standen 152 Einträge auf der Liste der in interstellaren Molekülarwolken entdeckten, individuellen, kohlenhaltigen, organischen, polyatomischen Moleküle.33

Nun haben Astronomen vier Nitrile der Liste hinzugefügt.4 Nitrile sind eine Klasse der organischen Moleküle mit einer Cyanogruppe. Eine Cyanogruppe besteht aus einem Kohlenstoffatom, das durch eine ungesättigte Dreifachbindung mit einem Stickstoffatom verbunden ist. Cyanogruppen sind typischerweise sehr toxisch. Natriumcyanid und Kaliumcyanid sind bekannte Beispiele.

Eins der größten Enigmen der Chemie ist das Nitrile Schlüsselvorläufermoleküle der Nukleobasen, die, wenn sie mit einer Ribose und einem Phosphatmolekül verbunden werden, die Grundsteine der DNS und RNS-Moleküle bilden. RNS-Moleküle zusammen mit DNS-Moleküle, Proteine und Lipide sind die Moleküle, die jeder Organismus hat und keine Lebewesen können ohne diese überleben.

Die entdeckten Nitrile
Ein Team aus dreizehn von Viktor Rivilla geleiteten Astrobiologen hat die empfindlichsten Millimeter-Wellen-Bereich Radioteleskopen, das IRAM 30-Meter und das Yebes 40-Meter Teleskop, beide in Spanien, um die große Molekularwolke, G+0.693-0.027, die sich 26.673 auf einer Entfernung von 26.673 Lichtjahren nahe am Kern der Galaxie befindet, durchzumustern, auf der Suche nach den spektralen Signaturen von sieben Nitrile.5Cyanoformaldehyde (HCOCN), Glycolonitrile (HOCH2CN), Cyanoacetaldehyde (HCOCH2CN), Cyanoallene (CH2CCHCN), Propargylcyanid (HCCCH2CN) und Cyanopropyne (CH3CCCN). Von den Sieben hat Rivillas Team vier Nitrile aufgespürt: Cyansäure, Cyanoallene, Propargylcyanid und Cyanopropyne. Sie haben unsichere Spuren von Cyanoformaldehyde und Glycolonitril gemessen. Sie haben Cyanoacetaldehyde nicht aufgespürt. Cyanoallene und Propargylcyanid wurden früher in der TMC-1 dunklen Molekularwolke aufgespürt, die, auf einer Entfernung von nur 140 Lichtjahren, ist die nächste große interstellare Molekülarwolke.6 Das einfachste Sauerstoff-haltende Nitril, Cyansäuer, wurde auch früher in einer weiteren großen Molekularwolke im Kern der Galaxie aufgespürt.7

Die gemessenen Abundanzen für die aufgespürten Nitrile waren sehr niedrig. Auch für das einfachste davon, Cyansäuer (HOCN) wurden die gemessenen Abundanzen niedrig. Rivillas Team stellte fest, dass es in G+0,693-0,027 nur ein Molekül der Cyansäuer für jede 6 Milliarden Moleküle vom molekularen Wasserstoff (H2) gab.8 Die drei Nitrile ohne Sauerstoff, die Rivilla und seine Kollegen aufgespürt haben, waren in Abundanzen von einem Molekül für alle 6–10 Milliarden H2 Moleküle vorhanden.9

Implikationen für die Entstehung des Lebens
Die britische Zeitung The Telegraphsagte in der Schlagzeile von ihrer Berichterstattung über die Entdeckungen von Rivillas Team, dass die “Bausteine des Lebens” vom Team entdeckt wurden und dass “deutet an, dass wir nicht allein sind.”1010 Einer der Ko-Autoren mit Rivillam Miguel Requena-Torres, wurde von der Redakteurin für Wissenschaften für The TelegraphSarah Knapton, folgendermaßen zitiert: “Wir wissen jetzt, dass Nitrile zu den abundantesten Familien von Chemikalien im Universum gehören.”1111 Mit “Familien von Chemikalien,” hat Requena-Torres sich auf die Vorläufer-Moleküle der Nukleobasen und Aminosäuren beziehen müssen. Bezugnehmende auf andere Vorläufermoleküle sagte ein weiterer Ko-autor, Izaskun Jiménez-Serra, “Es fehlen noch Schlüsselmoleküle.”12

In den abschließenden Bemerkungen in ihrer Arbeit hat Rivillas Team bemerkt, dass Nitrile keine unmittelbaren Vorläufer von Nukleobasen oder Aminosäuren sind. Die Atmosphäre der frühen Erde hätte eine chemisch-reduzierende Atmosphäre mit großen Mengen an Ammoniak sein müssen, wenn Amidine Nitrile hätten bilden können müssen. Viele Amidine sind unmittelbare Vorläufer von Nucleobasen und Aminosäuren. Aber, wie wir in unserem Buch Origins of Life erklärt und dokumentiert haben, war die Atmosphäre der frühen Erde nicht reduzierend und beinhielt nicht mehr als Spurenmengen von Ammoniak.13

Was Ravillas Team fand, war nur einige von den mehr als hundert Moleküle, die die “Bausteine der Bausteine der Beistein” des Lebns auf der molekularen Ebene. Und sie haben diese in Abundanzen gefunden, die weit unter der notwendigen Quantität sind, für jedes vorstellbare naturalistische Modell für die Entstehung des Lebens. Und sie haben diese in einer Molekülwolke gefunden, wo die chemischen Reaktionen, die sie erzeugen, durch chemische Reaktionen, die sie zerstören, ausgeglichen werden.

Die Entdeckungen von Ravillas Team sind also keine Unterstützung für die RNS-Welt-Hypothese als Erklärung für die Entstehung des Lebens. Stattdessen bestätigen seine Entdeckungen weiter das, was Fazale Rana und ich vom Vater der RNS-Welt-Hypothese, Leslie Orgel, in der Plenarsitzung der 2002 Konferenz der International Society for the Study of the Origin of Life: gehört haben “Es würde ein Wunder sein, wenn ein einziger Strang von RNS auf der primitiven Erde erschien.”

Was aus einer naturalistischen wunderbar erscheint, kann aus der Perspektive der Schöpfungslehre als das Wirken eines übernatürlichen Schöpfers gedeutet werden. Wie es in Psalm 104,24 proklamiert wird: “HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.” (Lutherbibel 1912)

Endnoten

  1. Lewis E. Synder et al., “Microwave Detection of Interstellar Formaldehyde,” Physical Review Letters 22, no. 13 (März 31, 1969): id. 679, doi:10.1103/PhysRevLett.22.679.
  2. Synder et al., “Microwave Detection,” p. 1.
  3. Wikipedia, s.v. “List of Interstellar and Circumstellar Molecules,” zuletzt geändert Juni 28, 2022, 18:12 (UTC), https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_interstellar_and_circumstellar_molecules#.
  4. Victor M. Rivilla et al., “Molecular Precursors of the RNA-World in Space: New Nitriles in the G+0.693-0.027 Molecular Cloud,” Frontiers in Astronomy and Space Sciences: Section Astrochemistry (Juli 8, 2022), doi:10.3389/fspas.2022.876870.
  5. Rivilla et al., “Molecular Precursors of the RNA-World.”
  6. Brett A. McGuire et al., “Early Science from GOTHAM: Project Overview, Methods, and the Detection of Interstellar Propargyl Cyanide (HCCCH2CN) in TMC-1,” Astrophysical Journal Letters 900, no. 1 (2020): id. L10, doi:10.3847/2041-8213/aba632; N. Marcelino et al., “A Study of C4H3N Isomers in TMC-1: Line by Line Detection of HCCCH2CN,” Astronomy & Astrophysics 646 (Februar 12, 2021): id. L9, doi:10.1051/0004-6361/202040177.
  7. S. Brünken et al., “Interstellar HOCN in the Galactic Center Region,” Astronomy & Astrophysics 516 (Juni-Juli 2010): id. A109, doi:10.1051/0004-6361/200912456.
  8. Rivilla et al., “Molecular Precursors of the RNA-World.”
  9. Rivilla et al., “Molecular Precursors of the RNA-World.”
  10. Sarah Knapton, “Building Blocks of Life Found Floating in Milky Way in Discovery that Suggests We Are Not Alone,” The Telegraph (Juli 10, 2022), https://www.telegraph.co.uk/news/2022/07/10/building-blocks-life-found-floating-milky-way-discovery-suggests/.
  11. Knapton, “Building Blocks of Life Found.”
  12. Knapton, “Building Blocks of Life Found.”
  13. Fazale Rana and Hugh Ross, Origins of Life (Covina, CA: RTB Press, 2014), 101–104, 106–107.