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Ist die “Hand Gottes” erkennbar in der Entstehung des Lebens?

Wie begann Leben auf der Erde? Macht das Eingreifen eines Experimentators die “Hand”, die das Leben schuf, erkennbar?

Fuz Rana und ich haben zusammen an die 2002 Konferenz der International Society for the Study of the Origin of Life (Internationale Gesellschaft für Forschung im Ursprung des Lebens, ISSOL), die vom 30.Juni–05.Juli in Oaxaca, Mexiko stattfand, teilgenommen. Dort hörten wir zu, als der Chemiker, Robert Shapiro, der Atheist/Agnostiker ist, vor der Öffentlichkeit die Laborsimulation einer komplexen chemischen Reaktion, die kritisch für jegliches Modell der Entstehung des Lebens ist, kommentierte. Shapiro machte dem Forschungsteam für ihren genialen Vortag und erstaunliche Leistung einige Komplemente, wies aber darauf hin, wieviel intelligentes Eingreifen und Design nötig war, um ihr Ergebnis zu erreichen. Er fügte hinzu: Wenn seine Kollegen ohne viel weniger Eingreifen von Experimentatoren keine chemischen Ergebnisse erzeugen konnten, die kritisch wichtig für jegliches Model der Entstehung des Lebens sind, bewiesen sie nur dadurch, das Leben nur durch das Wirken eines intelligenten Designers entstehen kann. Fuz und ich hörten wie eine ganze Sitzreihe voller Chemiker, die die Entstehung des Lebens erforschen, “Gott bewahre!” hinter uns flüsterten.

Sechzehn Jahre später ließ Chemiker Clemens Richert einen Beitrag in Nature Communications veröffentlichen, worin er Shapiros Punkt ausführlicher artikulierte.1 Er begann damit, dass er erklärte, dass das angebliche Ziel von den Experimentatoren im Bereich der Biochemie es ist, “das nachzustellen, was vielleicht geschah, als Leben aus der leblosen Materie entstand.”2 Richert machte aber darauf aufmerksam, dass solche Nachstellungen unrealistisch sind, wenn menschliches Eingreifen auch nur ein Mal oder wiederholt notwendig sind.

Wiederholbarkeit und menschliches Eingreifen
Ein solches Eingreifen, dass unvermeidbar geschieht, entsteht nur weil die Experimentatoren wollen, dass andere Biochemiker ihre Ergebnisse werden wiederholen können. Wenn die Ergebnisse sich nicht wiederholen lassen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht werden, gleich null. Die Notwendigkeit der Wiederholbarkeit zwingt Biochemiker, mit bekannten Mengen reiner Chemikalien anzufangen. Solche fixe, reine Mengen dieser Substanzen sind aber unrealistisch in jedem vorstellbaren naturalistischen prebiotischen Szenario. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik bringt mit sich unvermeidlich Mischungen aus strukturell verwandte aber chemisch-störende Molekülaggregaten.

Darüber hinaus muss das Experiment, um für ein jedes denkbare Szenario fürs Entstehen vom Leben relevant zu sein, kein menschliches Eingreifen nach dem Beginn einer Reaktion zulassen. Keine weiteren Chemikalien dürfen während der Reaktion hinzugefügt oder abgezogen werden. Die Reaktion muss sich alleine entfalten und nur nachdem die Reaktion ganz fertig ist, dürfen Proben entnommen werden.

Auch wenn diesen Vorschriften rigoros gehorcht werden, kann nicht-allzu-subtiles menschliches Eingreifen stattfinden. Und es findet auch wirklich statt. Das Paradebeispiel findet man im berühmten Miller-Urey Experiment 3 Es wurde von den Forschern behauptet, dass sie Aminosäuren aus einer mit simulierten Blitzschlägen behandelten Mischung aus Wasser, Ammoniak, Methan und Wasserstoff in einem geschlossenen Kolben erzeugt hatten. Aber das Experiment wurde etwa 200-mal wiederholt. Aber nur fünf Aminosäuren wurden in nur einem dieser 200 Versuche erzeugt. Die Gesamtkonzentration dieser fünf Aminosäuren war nur zwei Prozent und diese zwei-prozent-Konzentration bestand fast ausschließlich aus der einfachsten Aminosäure, Glycin. Ferner waren die Ausgangsbedingungen irrelevant. In jedem natürlichen Szenario wäre entweder Sauerstoff oder ultraviolette Strahlung vorhanden, und einer von den Beiden hätte die Reaktion beendet. Die Konzentration von Ammoniak wäre auch in jedem naturalistischen Szenario viel niedriger gewesen sein, als die, die im Kolben vorhanden war. Und es wäre in jedem nur denkbaren naturalistischen Szenario unvermeidlich gewesen, dass auch andere Chemikalien außer Wasser, Ammoniak, Methan und Wasserstoff vorhanden gewesen wären.

Das Miller-Urey Experiment ist daher ein klassisches Beispiel von wiederholtem menschlichem Eingreifen, wo die Experimentatoren dachten, es wären keine. Heute werden das Miller-Urey Experiment und viele ihm ähnlichen weitgehend für irrelevant in der Forschung nach dem Ursprung des Lebens auf der Erde oder auf irgendeinem anderen Planeten gehalten.

Engreifen nötig fürs Verbinden von Aminosäuren
Um komplexere Reaktionen als die des Miller-Urey Experiments hervorzubringen, z.B. das Verbinden von bioaktiven Aminosäuren zu kurzen Proteinsegmenten, waren wiederholte Eingriffe der Experimentatoren erforderlich. Für jeden Schritt sind eine spezifische chemische Umgebung oder spezifische chemische Voraussetzungen, wo hohe Reaktionsausbeuten erreicht werden können, essentiell. Oft muss eine Eliminierungsreaktion gleichzeitig mit einer Additionsreaktion stattfinden, während beide Reaktionen mit hochgenauen Reaktionsgeschwindigkeiten stattfinden müssen.

Wenn es um das Verbinden von Aminosäuren geht, müssen die Aminosäuren alle homochiral sein (Molekularkonfiguration muss linksdrehend sein). In der Natur ist die Mischung völlig willkürlich und besteht aus linksdrehenden und rechtsdrehenden Aminosäuren. Aus diesem Grund kann ein solches Verbinden nicht stattfinden. Eine ähnliche aus der Chiralität entstehenden Einschränkung betrifft das Verbinden von Nucleobasen in kurzen RNA-oder-DNA-Ketten. Um Nucleobasen zu verbinden, braucht man Ribosezucker, die als chemische Brücke dienen, und diese Zucker müssen alle eine rechtsdrehende Konfiguration haben. Außerhalb des Labors und lebendigen Systemen oder des Verfalls der lebendigen Systeme kommt Ribose nur sehr selten vor und fast immer in kaum nachweisbaren Mengen. Und wenn sie vorkommt, kommt sie nur in willkürlichen Mischungen von linksdrehenden und rechtsdrehenden Konfigurationen vor.

In lebendigen Zellen findet biochemische Synthese üblicherweise durch unterschiedliche Enzyme-katalysierte Reaktionen, wo jedes Enzym eine unterschiedliche, spezifische Microumgebung an der aktiven Stelle, um die Reaktion laufen zu lassen. Wenn die Experimentatoren ein enzymloses, prebiotisches Szenario simulieren, finden sie, dass sie viele hochgeordneten Reaktionsstufen herbeiführen müssen: Fällung, Kristallbildung, Reinigung. Diese bringen drastische (und notwendige) Änderungen in den chemischen Bedingungen vom Schritt zum nächsten Schritt in der Synthese mit sich. Auch dann gelingt die Synthese nur selten.

Am Ende seines Beitrags tadelt Richert die jetzt beliebten Experimente, die endlosen Zyklen von Hydration und Dehydration und/oder Abkühlen und Aufheizen erfordern. Richert weist darauf hin, zum Beispiel, dass wiederholte spezifizierte Übergänge von arktischen bis zu vulkanischen Bedingungen binnen sehr kurzen Zeitspannen (Stunden oder Tagen) erforderlich sind, wenn die Zyklen von Abkühlen und Aufheizen produktiv sein sollen. Solche Erfordernisse—und hier untertriebt er—scheinen für naturalistische Szenarien unrealistisch.

Eingreifen und die Hand Gottes
In seinem Beitrag nannte Richert dieses Eingreifen des Experimentators das “Hand-Gottes-Dilemma.” Sein Punkt ist, dass das Eingreifen von Experimentatoren der Behauptung gleicht, dass es göttliches Eingreifen herbeiführte. Indem er das sagt, gesteht er, “die Mehrheit von uns[origin-of-life researchers] [Wissenschaftler die den Ursprung des Lebens forschen] finden die Vorstellung eines göttlichen Eingreifens in diesem Kontext sehr unbehaglich.” 3

Nichtsdestoweniger appelliert Richert nachdrücklich an seine Kollegen in Forschung nach dem Ursprung des Lebens. So dass sie weder Wissenschaftler in anderen Disziplinen oder das Laienpublikum nicht in die Irre führen, sollen sie ihre Erfolge im Austausch mit ihren Berufskollegen nicht übertreiben. Dem zufolge empfiehlt Richert, dass seine Kollegen den Grad des Eingreifens der Experimentatoren veröffentlichen. In ihren Publikationen sollen sie so genau wie möglich angeben, wievielmal und genau wann und wo in ihren Experimenten sie das “Hand Gottes Dilemma” begangen haben.

Da ich an viele Konferenzen in der Forschung vom Ursprung des Lebens teilgenommen habe und hunderte Forschungsarbeiten im Bereich gelesen habe, denke ich, wenn Richert und seine Kollegen seiner Empfehlung folgen, würde die Zahl der Interventionen, der Fälle vom “Hand Gottes Dilemma”, per veröffentlichtes Experiment in der Forschung nach dem Ursprung des Lebens, leicht den Durchschnittswert von einer Duzend Interventionen übersteigen. Wenn das der Fall ist, dann werden Laien, Wissenschaftler in anderen Disziplinen und vielleicht sogar Forscher nach dem Ursprung des Lebens erkennen und gestehen, dass Gott, und keine führungslosen Naturvorgänge das erste Leben auf Erden schuf.

Endnoten
  1. Clemens Richert, “Prebiotic Chemistry and Human Intervention,” Nature Communications 9 (12.Dezember.2018): id. 5177, doi:10.1038/241467-018-07219-5.
  2. Richert, “Prebiotic Chemistry,” 1.
  3. Stanley L. Miller, “A Production of Amino Acids Under Possible Primitive Earth Conditions,” Science 117, no. 3046 (15.Mai.1953): 528–29, doi:10.1126/science.117.3046.528.
  4. Richert, 2.