In der Galaxis nichts Neues

Der berühmte Roman und der Film Im Westen nichts Neues dreht sich um die Erfahrungen von deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg, die für kurze Perioden Urlaub von den Schrecken des Krieges an der Westfront die Heimat besuchen. Am Ende der Geschichte wird der Protagonist an einem besonders friedlichen Tag getötet, am Tag wo im Lagebericht “Im Westen nichts Neues” steht.

Alles ruhig in der Galaxie neulich
Aus vielerlei Gründen ist höheres Leben nur in einer großen Spiralgalaxie möglich.1 Aber in jeder großen Spiralgalaxie befindet sich im galaktischen Kern ein lebensbedrohendes supermassives Schwarzes Loch. (Ein supermassives Schwarzes Loch [SMBH] [SMBH]ist ein Schwarzes Loch mit einer Masse, die eine Million Sonnenmassen übertrifft.) Unsere Galaxie ist keine Ausnahme.

Durch fast die ganze 13,5 Milliarden Jahren der Geschichte unserer Galaxie hat ihr SMBH Strahlung emittiert, die für höheres Leben tödlich und für höhere Zivilisation verkrüppelnd ist. Aber in ihrer jüngsten Vergangenheit, die mit der Entstehung der Menschheit zusammenfällt, ist es “in der Galaxie nichts Neues” gewesen. In einer Sonderausgabe von Astrophysical Journal Letters hat ein zusammenarbeitendes Team aus mehr als 200 Astronomen zehn Arbeiten veröffentlicht in denen die das erste Bild des Ereignishorizonts des SMBH unserer Galaxie hergestellt haben, und erklären, warum es durch die Ära der Menschheit so außergewöhnlich gutartig gewesen ist.

Event Horizon Bilder
Das Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs ist die Entfernung vom Mittelpunkt des Schwarzen Lochs, wo die Schwerkraft des Schwarzen Lochs so stark ist, dass nichts, auch nicht Licht, dieser Kraft entkommen kann. Einem Beobachter jenseits des Ereignishorizonts wird schwarz erscheinen.

Je massiver ein Schwarzes Loch desto größer die Entfernung zwischen dem Ereignishorizont und dem Mittelpunkt des Schwarzen Lochs. Nichtsdestotrotz ist der Durchmesser des Ereignishorizonts verhältnismäßig winzig auch für das massivste Schwarzes Loch. Er ist tatsächlich so klein, dass Astronomen Millimeter-Wellen-Teleskope überall auf der Welt zusammenknüpfen mussten, so dass sie als ein einziges Interferometer funktionierten, um hinreichendes Auflösungsvermögen um die Ereignishorizonte der zwei größten von der Erde aus gesehenen Schwarze Löcher abzubilden. Abbildung 1 zeigt die Gruppe der Millimeter-Wellen Teleskope, die den Radiointerferometer, den man das Event Horizon Telescope (EHT) nennt, ausmachen.

Abbildung 1: Orte der Teleskope, die am Event Horizon Telescope (EHT) und the Global mm-VLBI Array (GMVA) teilnehmen
Bildnachweis:: ESO/O. Furtak

Das EHT hat ein Auflösungsvermögen von 0,000025 Bogensekunden. Das ist 4.000-mal besser als das beste Auflösungsvermögen des James Webb Space Telescope. Es hat die Fähigkeit, einen Streichholz auf der Mondoberfläche aufzuspüren und abzubilden. Es ist das einzig-verfügbare Instrument, das stark genug ist, den Durchmesser vom Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs aufzuspüren und zu messen. Es kann das aber nur für zwei bekannte Schwarze Löcher: das SMBH (Masse = 6,5 Milliarden Sonnenmassen2) im Kern der Riesengalaxie M87 mit einer Entfernung von 53,8 Millionen Lichtjahren,33 und das SMBH (Masse = 4,152 ± 0,014 Millionen Sonnenmassen44) im Kern der Milchstraße, mit einer Entfernung von 26.673 Lichtjahren.55

Die Event Horizon Telescope Collaboration (EHTC) hat das Ereignishorizont vom SMBH in M87 in 2019. Abbildung 2 zeigt das Bild. Das helle Lichtdonut gerade jenseits vom Ereignishorizont ist der Bereich wo Materie in Energie mit 10–40% Effizienz umwandelt wird. Im Vergleich umwandelt die Nuklearfusion der Sonne Materie in Energie mit 0,07% Effizienz. Weil das SMBH in M87 Unmengen von Materie ans Ereignishorizont zieht, ist das Ereignishorizont sehr gut definiert.

Abbildung 2: Das Ereignishorizont vom supermassiven Schwarzen Loch in der Galaxie SM87
Bildnachweis: Event Horizon Telescope Collaboration

Das SMBH im Kern unserer Galaxie zieht weit weniger Materie rein als das in M87 reinzieht. Deswegen war es viel schwieriger sein Ereignishorizont abzubilden, obwohl es verhältnismäßig näher an der Erde ist. Erst im Mai 2022 gelang es der EHTC, genug Daten zu sammeln, dass sie ein vorläufiges Bild herstellen konnten. Abbildung 3 zeigt dieses Bild.

Abbildung 3: Das Ereignishorizont des supermassiven Schwarzen Loch in der Milchstraße
Bildnachweis: Event Horizon Telescope Collaboration

Das wunderbare, supermassive Schwarze Loch unserer Galaxie
Das SMBH in unserer Galaxie ist außergewöhnlich in vielen Hinsichten. Seine Masse ist ganz besonders niedrig. Beobachtungen anderer großen Spiralgalaxien haben gezeigt, dass die Masse des SMBHs in einer Galaxie steht im Verhältnis zu (1) der Masse der zentralen Wölbung der Galaxie,66 (2) der Zahl der Kugelsternhaufen, die die Galaxie umkreisen,77 und (3) die Geschwindigkeitsdispersion (Bereich der Geschwindigkeiten) der Sterne in der zentralen Wölbung.8 Nach diesen Maßstäben soll die Masse des SMBHs unserer Galaxie mindesten 30-Mal größer sein.

Die Andromeda Galaxie hat die gleiche Gesamtmaße wie unsere Galaxie aber ihr SMBH passt sehr gut in den oben angegebenen Korrelationen. Seine Maße übertrifft die des SMBH in der Milchstraße ums 35-fache. Die viel niedrigere Maße des SMBHs unserer Galaxie bringt mit sich, dass seine Schwerkraft viel schwächer ist und kann deswegen weniger Materie an sein Ereignishorizont heranziehen.

In der fünften dieser zehn wissenschaftlichen Arbeiten, die die EHTC neulich herausgab, stellten die 272 Astronomen die Rate fest, mit der das SMBH-Materie zu sich zieht. Die Rate beträgt 7,3 ± 2,1 x 10-9 Sonnenmassen pro Jahr.9 Diese Rate gleicht nur ein Fünftel der Mondmasse pro Jahr.

IIm dritten der zehn Arbeiten haben 263 Astronomen die Variabilität der Strahlung vom gerade diesseits des Ereignishorizonts des SMBH bestimmt.10 Variabilität wurde in Zeitspannen so kurz wie eine Minute und so lang wie 10 Minuten gesehen. Der Grad der Variation war nur um 5%. Diese Bestimmung der Variabilität bedeuten, dass das SMBH unserer Galaxie Materie fast unterbrochen und mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit an sich zieht. Es frisst—mit einer verhältnismäßig konstanter Geschwindigkeit—das Äquivalent von zwei Mal der Gesamtmasse des Marsmondes Phobos (Durchmesser = 22,5 Kilometer) alle zehn Minuten.

Diese 5% Variation in der elektromagnetischen Emission deutet an, dass, obwohl die Masse der Materie, die ans SMBH unserer Galaxie herangezogen wird, zwei Mal die Phobosmasse alle zehn Minuten gleicht, besteht sie nicht aus Himmelskörper, die annähernd so groß wie Phobos sind (mit seltenen Ausnahmen). Stattdessen muss die Mehrheit dieser Masse aus Gas und Staub bestehen, während Asteroiden und Kometen viel kleiner als Phobos nur einen kleinen Anteil ausmachen.

Diese Schlussfolgerung, die auf Grund von den durch mehrere Jahre von der EHTC gemachten Beobachtungen vom Strahlungskreis um das SMBH unserer Galaxie abgeleitet wurde, bestätigt eine frühere Inferenz, die von der Beobachtung der Eruptionen aus der Region um das SMBH unserer Galaxie hergeleitet wurde. Diese Inferenz war, dass eine dichte Wolke aus kleinen Asteroiden und Kometen das SMBH unserer Galaxie umgeben muss.11 Zusammenstöße unter den Asteroiden und Kometen wurden große Mengen an Gas und Staub erzeugen. Das Gas und der Staub würde die beinah gleichbleibend und ununterbrochen Strahlungsemission vom Donut gerade diesseits des Ereignishorizonts des SMBHs unserer Galaxie erklären. Dass ab und zu ein kleiner Asteroid oder Komet ans Ereignishorizonts gezogen wird, würde die beobachtete Variation in der Strahlungsemission erklären.

In der fünften diese zehn Arbeiten haben die Autoren die bolometrische Leuchtkraft (durchschnittliche Gesamtemission aller Wellenlängen) vom Donut gerade diesseits des Ereignishorizonts des SMBH unserer Galaxie.12 Die bolometrische Leuchtkraft = 8,0 ± 1,2 x 1035 Erg pro Sekunde, was 200 Mal größer als die bolometrische Leuchtkraft der Sonne ist.

Auf höheres Leben ausgelegt
Auch für ein SMBH, das nur 4,15 Millionen Sonnenmassen wiegt, ist die Strahlungsemission und Variabilität, die das SMBH unserer Galaxy aufweist, extrem niedrig. Solche auffällig niedrige Strahlungsemission ist eine Ausnahme, keine Norm.

In einer weiteren Studie haben Astronomen zwei Blasen entdeckt, jede mehr als ein viertel vom Durchmesser der Sternenscheibe unserer Galaxie (siehe Abbildung 4). Die Blasen bestehen aus diffusen, uniformen, niedrige-Energie Gammastrahlen13 und weichen Röntgenstrahlen.14 Eine Folgestudie offenbarte zwei Strömen von Röntgenstrahlungsemission, die diese Blasen mit dem Kern unserer Galaxie verbinden.15 Dieser Befund bestätigt, dass das SMBH unserer Galaxie die Ursache dieser Blasen ist.

Abbildung 4: Röntgen-und Gamma-Strahlungsemissionsblasen vom Kern der Milchstraße
Bildnachweis: NASA Goddard Space Flight Center

Die Größe und diffuse Natur dieser Blasen weisen darauf hin, dass sie durch Ereignisse entstanden sind, die vor vielen Millionen Jahren geschahen. Die Tatsache, dass die Strahlungswerte in den Blasen so niedrig sind, besagt, dass vormenschliches Leben, das von diesen Ereignissen sonst getroffen worden wäre, nicht dadurch hätte ausgelöscht werden müssen.

Durch mindestens die letzten 12.000 Jahren hindurch ist das Niveau der Strahlungsaktivität diesseits des Ereignishorizonts des SMBHs unserer Galaxie besonders niedrig gewesen. Wenn das SMBH unserer Galaxie nicht so extrem ruhig gewesen wäre, hätten Menschen vor 12.000 Jahren keine Zivilisation gründen können. Sie hätten ihre Zivilisation auch nicht durch die letzten 12.000 Jahren aufrechterhalten können. Dank der Tatsache, dass es an der galaktischen Front alles ruhig blieb, haben Menschen von heute Zivilisation, Wohlstand und die Technologie, die ermöglicht, dass Milliarden von uns die christliche Botschaft des Evangeliums hören und darauf antworten können.

Endnoten

  1. Hugh Ross, The Creator and the Cosmos,4. Auflage (Covina, CA: RTB Press, 2018), 200–206; Hugh Ross, Designed to the Core (Covina, CA: RTB Press, 2022), Kapitel 7.
  2. Event Horizon Telescope Collaboration, “First M87 Event Horizon Telescope Results. VI. The Shadow and Mass of the Central Black Hole,” Astrophysical Journal Letters 875, no. 1 (April 10, 2019): id. L6, doi:10.3847/2041-8213/ab1141.
  3. Alexa Villaume et al., “The Assembly History of M87 through Radial Variations in Chemical Abundances of Its Field Star and Globular Cluster Populations,” Astrophysical Journal 900, no. 2 (September 10, 2020): id. 95, doi:10.3847/1538-4357/aba616.
  4. Gravity Collaboration, R. Abuter et al., “A Geometric Distance Measurement to the Galactic Center Black Hole with 0.3% Uncertainty,” Astronomy & Astrophysics Letters 625 (Mai 2019): id. L10, doi:10.1051/0004-6361/201935656.
  5. Gravity Collaboration, “A Geometric Distance Measurement.”
  6. Stefano de Nicola, Alessandro Marconi, und Giuseppe Longo, “The Fundamental Relation between Supermassive Black Holes and Their Host Galaxies,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 490, no. 1 (November 2019): 600–612, doi:10.1093/mnras/stz2472; G. Yang et al., “Evident Black Hole-Bulge Coevolution in the Distant Universe,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 485, nr. 3 (Mai 2019): 3721–3737, doi:10.1093/mnras/stz611.
  7. Rosa A. González-Lópezlira et al., “The Relation between Globular Cluster Systems and Supermassive Black Holes in Spiral Galaxies: The Case Study of NGC 4258,” Astrophysical Journal 835, no. 2 (Februar 1, 2017): id. 184, doi:10.3847/1538-4357/835/2/184; Gretchen L. H. Harris, Gregory B. Poole, und William E. Harris, “Globular Clusters and Supermassive Black Holes in Galaxies: Further Analysis and a Larger Sample,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 438, nr. 3 (März 1, 2014): 2117–2130, doi:10.1093/mnras/stt2337.
  8. Christopher Marsden et al., “The Case for the Fundamental MBH-σ Relation,” Frontiers in Physics 8 (März 17, 2020): id. 61, doi:10.3389/fphy.2020.00061; Alper K. Ates, Can Battal Kilinç, and Cafer Ibanoglu, “On the M-σ Relationship and SMBH Mass Estimates of Selected Nearby Galaxies,” International Journal of Astronomy and Astrophysics 3, nr. 3A (Juli 2013): 1–9, doi:10.4236/ijaa.2013.33A001.
  9. Kazunori Akiyama et al., “First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. V. Testing Astrophysical Models of the Galactic Center Black Hole,” Astrophysical Journal Letters 930, nr. 2 (Mai 10, 2022): id. L16, doi:10.3847/2041-8213/ac6672.
  10. Kazunori Akiyama et al., “First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. III. Imaging of the Galactic Center Supermassive Black Hole,” Astrophysical Journal Letters 930, nr. 2 (Mai 10, 2022): id. L14, doi:10.3847/2041-8213/ac6429.
  11. Kastytis Zubovas, Sergei Nayakshin, und Sera Markoff, “Sgr A* Flares: Tidal Disruption of Asteroids and Planets?” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 421, nr. 2 (April 10, 2012): 1315–24, doi:10.1111/j.1365-2966.2011.20389.x; Sergei Nayakshin, Sergey Sazonov, und Rashid Sunyaev, “Are Supermassive Black Holes Shrouded by ‘Super-Oort’ Clouds of Comets and Asteroids?,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 419, nr. 2 (Januar 11, 2012): 1238–1247, doi:10.1111/j.1365-2966.2011.19777.x.
  12. Akiyama et al., “First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. V. …
  13. Meng Su, Tracy R. Slatyer, und Douglas P. Finkbeiner, “Giant Gamma-Ray Bubbles from Fermi-LAT: Active Galactic Nucleus Activity or Bipolar Galactic Wind?,” Astrophysical Journal 724, nr. 2 (November 10, 2010): 1044–1082, doi:10.1088/0004-637X/724/2/104.
  14. P. Predehl et al., “Detection of Large-Scale X-Ray Bubbles in the Milky Way Halo,” Nature 588, nr. 7837 (Dezember 10, 2020): 227–231, doi:10.1038/241586-020-2979-0.
  15. G. Ponti et al., “An X-Ray Chimney Extending Hundreds of Parsecs above and below the Galactic Centre,” Nature 567, nr. 7748 (März 21, 2019): 347–350, doi:10.1038/s41586-019-1009-6.