Haben galaktische Archäologen Beweis für Design gefunden?

Wenn wir besser verstehen, wie sich unsere Galaxie bildete—wie sie kleinere Galaxien durch Verschmelzung in sich integrierte—hilft das Astronomen zu lernen, wie unsere Spiralgalaxie sich von anderen Spiralgalaxien unterscheidet. Diese Art Forschung arbeitet mit galaktischer Archäologie, ein Fach, das immer wieder Besonderheiten der Geschichte der Galaxie offenbart, die auf ein zweckmäßiges Design hinweist.

Die Suche nach relevanten Daten
Archäologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich dem Ausgraben und Studieren von antiken Artefakten und Landschaftstrukturen widmet, um die Vergangenheit der Menschheit und menschlicher Zivilisation zu erforschen. Anthropologen haben diese Definition formuliert. Aber das wissenschaftliche Ausgraben und Studieren von Artefakten und Strukturen begrenzt sich nicht auf Anthropologie. In Geologie und Astronomie gibt es Forscher, die sich auf dem Gebiet von terrestrischen und astronomischen Artefakten spezialisieren, mit dem Ziel—so weit möglich—die Geschichte oder gewisse Komponente der Erde und des Universums besser zu verstehen.

Eine Schlüsselkomponente von jeder Disziplin der Archäologie ist das Datieren von Artefakten und Strukturen. Für unsere Milchstraße Galaxie (MWG) ist die größte Hürde für galaktische Archäologie das Datieren der relevanten galaktischen Komponente. Nirgendwo ist das problematischer als für die ersten 10 Milliarden Jahren der Geschichte der Galaxie.

Unterriesensterne
In ihrem Streben nach einer besseren Bestimmung der Geschichte der MWG haben zwei Astronomen vom Max Planck Institut für Astronomie in Heidelberg versucht, eine Datenbank von alten Sternen mit akkurat-bestimmten Alter herzustellen. Sie haben Unterriesensterne gewählt.

Unterriesensterne sind in einer Zwischenphase ihrer evolutionären Geschichte. Sie fallen in ihrer nuklearen Verbrennungsgeschichte zwischen Zwergsternen oder Hauptreihensternen, die Wasserstoff ins Helium in ihren Kernen verschmelzen, und Riesensternen, die nicht mehr fähig sind, Wasserstoff ins Helium zu verschmelzen. Während Unterriesensterne in ihren Kernen keinen Wasserstoff ins Helium verschmelzen können, läuft dieser Prozess in den Schichten um den Kern herum weiter. Wasserstoffverschmelzung in diesen Schichten führt dazu, dass die Unterriesensterne dramatisch heller werden auf einer sehr vorhersehbaren Art und Weise. Somit ergibt die Helligkeit eines Unterriesensterns eine direkte Messung von seinem Alter. Darüber hinaus geben die Spektra von Unterriesensterne genaue Daten über die Materialzusammensetzung von der Sternengeburt auch in Fallen wo Unterriesensterne mehr als 10 Milliarden Jahren alt sind. Aus diesen Gründen sind Unterriesensterne die besten Werkzeuge für den galaktischen Archäologen, der die Geschichte der Galaxie verstehen wollen.

Unterriesensterne Studie
So interessant Unterriesensterne für die galaktische Archäologie auch sind, stellen sie wegen ihrer Seltenheit ein Problem dar. Bis jetzt fehlten den galaktischen Archäologen eine Datenbank von gut-gemessenen Unterriesensternen, die groß genug war, uns eine zuverlässige Geschichte unserer MWG zu ergeben.

Ein Durchbruch für galaktischen Archäologen kam mit der dritten Datenfreigabe aus der Gaia Mission2 und mit der siebten Datenfreigabe aus der spektroskopischen Studie vom Large Sky Area Multi-Object Fibre Spectroscopic Telescope (LAMOST).3 Die zwei Astronomen vom Max Planck Institut, Maosheng Xiang und Hans-Walter Rix haben die Daten aus diesen Datenfreigaben analysiert, um einen Satz von 250.000 Unterriesensterne herzustellen. Diese Unterriesensterne umfassen eine Altersspanne von vor 1,5 bis 13,5 Milliarden Jahren. Die Unsicherheit dieser Altersbestimmungen liegt bei nur 7,5%.

Entdeckungen der galaktischen Archäologie
Die Verteilung der Unterriesensterne im Datensatz von Xiang und Rix zeigte, dass die stellare Komponente unserer Galaxie sich in zwei unzusammenhängenden Teilen spaltet. Der Altersunterschied zwischen diesen zwei Teilen beträgt um die Milliarden Jahren. Sie sind auch räumlich getrennt. Das jüngere Teil befindet sich im Kern der MWG und in der dünnen Scheibe (die aus Staub, Gas und Sterne besteht). Das ältere Teil befindet sich im Halo der MWG sowie in der dicken Scheibe (die aus Sternen besteht).

Die dünne Scheibe hat eine durchschnittliche Dicke von um die 1.000 Lichtjahren.4 Die durchschnittliche Dicke der dicken Scheibe beträgt um die 3.000 Lichtjahren.5 Beide Scheiben erstrecken sich bis zum gleichen Radialabstand von der galaktischen Mitte.6

Die Forschung von Xiang und Rix zeigte, dass die dicke Scheibe so früh wie vor 13 Milliarden Jahren begann, Gestalt zu nehmen. Das war nur 800 Millionen Jahren nach dem Urknallschöpfungsereignis und 2 Milliarden Jahren bevor der innere Halo seine Endgestalt gewonnen hatte. Die Forscher fanden, dass die Rate der Sternenbildung für die dicke Scheibe einen deutlichen Höhepunkt vor 11,2 Milliarden Jahren erreichte. Dieser Höhepunkt entspricht ein Akkretionsereignis (Zunahme an Maße durch Anziehungskraft der Gravitation), das durch die beobachteten Eigenschaften vom stellaren Halo der MWG angedeutet wird.7 Entweder eine Galaxie mittlerer Größe oder eine Zwerggalaxie mit hoher Maße, die Astronomen die Gaia-Sausage-Enceladus (GSE) Galaxie wurde mit der MWG verschmolzen. Die Beobachtung, dass verstreute, alte Sterne aus der dicken Scheibe, die wenig Drehimpuls hatten, nur älter als 11 Milliarden Jahren sind, ist starker Beweis dafür, dass die Verschmelzung der MWG mit der GSE sich vor 11 Milliarden Jahren vollzog. Dieses Datum ist eine Milliarden Jahre früher als die früheren Schätzungen für die niedrige Grenze fürs Alter von Sternen im Halo.8

Ein von G. C. Myeong geleitetes Team von fünf Astronomen hat Beweis für ein zweites uraltes Akkretionsereignis gefunden.9 Sie zeigten, dass, kurz vor die MWG mit der GES zusammenwuchs, ist sie mit einer gering-kleineren Galaxie namens die Sequoia Galaxie zusammengeschmolzen.

Folgerungen für Design
Diese zwei uralte Akkretionsereignisse bewirkten, dass die MWG eine hinreichende Größere hatte, so dass sie ihre Struktur trotz gravitativen Wechselwirkungen mit kleineren Galaxien behalten konnte. Wenn sie jetzt kleiner wäre, hätte die gravitative Wechselwirkung mit der Großen Magellanischen Wolke, der dritt-massereichsten Galaxie in der Local Group10 mit einer Entfernung von nur 163.000 Lichtjahren, die Konfiguration des Spiralarms so verformt, dass die Galaxie kein höheres Leben unterstützen könnte.11

Unter Spiralgalaxien in seinem Massenbereich hat die MWG-Sternen mit außergewöhnlichen Eigenschaften am Rand der Hauptstruktur. Astronomen definieren solche Sterne als diejenigen, die über oder unter der Scheibe einer Spiralgalaxie, 17.000–100.000 Lichtjahren vom galaktischen Kern entfernt. Die Sterne am Rand der MWG haben eine Abundanz an Elemente schwerer als Helium, die drei Mal niedriger ist, als was man in den Sternen am Rand von anderen Spiralgalaxien im Gleichen Maßenbereich.12 Im Gegensatz zu anderen Spiralgalaxien von ähnlicher Größe ist der stellare Halo von der MWG sauber in zwei Komponenten gespalten—ein innerer und ein äußerer stellarer Halo. Sterne im äußeren Halo haben drei Mal weniger Elemente schwerer als Helium als die Sterne des inneren Halos.13

Diese und andere beobachteten Eigenschaften der Sterne am Rand der MWG weisen darauf hin, dass sie für eine sehr lange Zeit dynamisch ungestört geblieben sind. Die Eigenschaften der Sterne am Rand der MWG verlangen, dass die MWG in den letzten 11 Milliarden Jahren kein Verschmelzungsereignis mit einer anderen Galaxie erlebt hat, in der die Maße der anderen Galaxie gleich oder massiver als 1 Milliarden Sonnenmaßen war.14

Diese “ungestört sein” Eigenschaft scheint feinabgestimmt zu sein. Eine außergewöhnliche Eigenschaft der MWG ist, dass sie in den letzten 11 Milliarden Jahren keine Verschmelzungsereignisse durchgelaufen ist, die ausreichend stark waren, ihre Spiralstruktur auf einer Weise zu ändern, die lebensbedrohlich wäre. Nichtsdestotrotz hat sie ausreichend Gasströme und eine ausreichende Zahl und Rate von Zwerggalaxien mit niedriger Maße zu sich genommen, dass ihre Spiralstruktur erhalten blieb. Ohne solche regelmäßige Zunahme von Maße fällt die Spiralstruktur einer Galaxie nach nur 3–4 galaktischen Umdrehungen auseinander.

Im Gegensatz zu anderen bekannten Spiralgalaxien “nippt” die MWG an andere Galaxien kontinuierlich, statt die gelegentlich “runterzukippen”. Diese einzigartige Geschichte erklärt zum größten Teil warum die MWG solche hervorstechend-symmetrischen, gut-verteilten Spiralarmen mit nur wenigen Federn und Spornen (aus Staub und Gas bestehend) zwischen den Spiralarmen hat. Es erklärt auch warum die MWG eine große Spiralgalaxie wie keine andere ist, eine Spiralgalaxie, die einzigartig dazu ausgelegt ist, höherem Leben eine Heimat zu bieten.

Endnoten

  1. Maosheng Xiang and Hans-Walter Rix, “A Time-Resolved Picture of Our Milky Way’s Early Formation History,” Nature 603 (März 24, 2022): 599–603, doi:10.1038/s41586-022-04496-5.
  2. Gaia Collaboration, “Gaia Early Data Release 3. Summary of the Contents and Survey Properties,” Astronomy & Astrophysics 649 (Mai 2021): id. A1, doi:10.1051/0004-6361/202039657.
  3. Zhao Gang et al., “LAMOST Spectral Survey—An Overview,” Research in Astronomy and Astrophysics 12, no. 7 (Juli 2012): 723–34, doi:10.1088/1674-4527/12/7/002; A.-L. Luo, et al., “VizieR Online Data Catalog: LAMOST DR7 Catalogs (Luo+, 2019),” VizieR On-Line Data Catalog: V/156 (März 2022), https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2022yCat.5156….0L/abstract.
  4. Mario Jurić et al., “The Milky Way Tomography with SDSS. I. Stellar Number Density Distribution,” Astrophysical Journal 673, no. 2 (Februar 1, 2008): 864–914, doi:10.1086/523619.
  5. Jurić et al., “The Milky Way Tomography.”
  6. Chengdong Li und Gang Zhao, “The Evolution of the Galactic Thick Disk with the LAMOST Survey,” Astrophysical Journal 850, no. 1 (November 20, 2017): id. 25, doi:10.3847/1538-4357/aa93f4.
  7. Lydia M. Elias et al., “Cosmological Insights into the Assembly of the Radial and Compact Stellar Halo of the Milky Way,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 495, no. 1 (April 22, 2020): 29–39, doi:10.1093/mnras/staa1090.
  8. Amina Helmi et al., “The Merger that Led to the Formation of the Milky Way’s Inner Stellar Halo and Thick Disk,” Nature 563 (November 1, 2018): 85–88, doi:10.1038/s41586-018-0625-x; Josefina Montalbán et al., “Chronologically Dating the Early Assembly of the Milky Way,” Nature Astronomy 5 (Juli 2021): 640–47, doi:10.1038/s41586-018-0625-x.
  9. G. C. Myeong et al., “Evidence for Two Early Accretion Events that Built the Milky Way Stellar Halo,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 488, no. 1 (September 2019): 1235–1247, doi:10.1093/mnras/stz1730.
  10. Jorge Peñarrubia et al., “A Timing Constraint on the (Total) Mass of the Large Magellanic Cloud,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: Letters 456, no. 1 (Februar 2016): L54–L58, doi:10.1093/mnrasl/slv160; Chervin F. P. Laporte et al., “Response of the Milky Way’s Disc to the Large Magellanic Cloud in a First Infall Scenario,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 473, no. 1 (Januar 2018): 1218–30, doi:10.1093/mnras/stx2146; A. J. Deason et al., “Satellites of LMC-Mass Dwarfs: Close Friendships Ruined by Milky Way Mass Haloes,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 453, no. 4 (November 2015): 3568–74, doi:10.1093/mnras/stv1939.
  11. Laporte et al., “Response of the Milky Way’s Disc”; Kenji Bekki, “The Influences of the Magellanic Clouds on the Galaxy: Pole Shift, Warp, and Star Formation History,” Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 422, no. 3 (Mai 10, 2012): 1957–74, doi:10.1111/j.1365-2966.2012.20621.x.
  12. François Hammer et al., “The Milky Way, an Exceptionally Quiet Galaxy: Implications for the Formation of Spiral Galaxies,” Astrophysical Journal 662, no. 1 (Juni 10, 2007): 322–34, doi:10.1086/516727.
  13. Daniela Carollo et al., “Two Stellar Components in the Halo of the Milky Way,” Nature 450 (Dezember 13, 2007): 1020–25, doi:10.1038/nature06460.
  14. Andreea S. Font et al., “Dynamics and Stellar Content of the Giant Southern Stream in M31. II. Interpretation,” Astronomical Journal 131, no. 3 (März 2006): 1436–44, doi:10.1086/499564; Andreea S. Font et al., “Phase-Space Distributions of Chemical Abundances in Milky Way-Type Galaxy Halos,” Astrophysical Journal 646, no. 2 (August 1, 2006): 886–98, doi:10.1086/505131.